Zurück aus Ljubljana: Bericht von der ECPR Summer School in Methods & Techniques

KaumDragon hatte ich meinen Blog gestartet, herrschte hier auch schon wieder Funkstille. Warum? Ich war unterwegs: auf der ECPR (European Consortium for Political Research) Summer School in Methods and Techniques in Ljubljana. Am 1. August hab ich mich mit Hannah Dürnberger auf den Weg dorthin gemacht, um zwei Wochen lang intensiv an Fragen der Gestaltung von Untersuchungsdesigns zu arbeiten. Wir haben beide den Kurs „Mixed Methods Designs“ belegt, da wir in unseren Promotionsvorhaben tendenziell eher multi-methodisch arbeiten wollen. Insgesamt wurden 21 verschiedene Kurse angeboten, wobei der überwiegende Teil sehr quantitativ geprägt war (für eine Übersicht siehe hier).

Wie der Name „Mixed Methods Designs“ schon ankündigte, erwarteten uns in dem Kurs sowohl qualitative als auch quantitative Inhalte und „Blickwinkel“. Meine Sorge, dass für die Arbeit im Kurs ausschließlich der Kontext Politik (da ECPR) herangezogen werden könnte, hatte sich zu meinem Glück nicht erfüllt (einige Teilnehmer waren genau anderer Ansicht; ja… das waren dann die Politikwissenschaftler). Die Dozentin Katrin Niglas (Professorin an der Universität Tallinn) hat einen bildungs- und informationswissenschaftlichen Hintergrund, somit waren viele Beispiele aus diesen Fachbereichen (z.B. bei den Daily Readings) vertreten.

Interessant fand ich insbesondere die Überlegungen dazu, wie man sich denn selber „paradigmatisch verortet“, wenn man einen Mixed Methods Approach für seine Untersuchung wählt. Schließlich gehen mit unterschiedlichen Forschungsmethoden wie Survey oder Tiefeninterviews auch verschiedene erkenntnistheoretische Weltanschauungen einher. Dass die Welt(anschauung) nicht in schwarz und weiß einzuordnen ist, sondern durchaus mehrere Perspektiven auf einen Interessengegenstand relevant oder sogar von Nöten sein können, das würde ich unterstreichen. In der Summer School hat sich hier der Pragmatismus als mögliche Argumentationsstütze angeboten (hier ein kurzer Beitrag von Katrin Niglas). In diese Richtung werde ich auf alle Fälle weiter denken.

Ansonsten war der zweiwöchige Kurs geprägt von viel Literaturarbeit, Inputs der Dozentin und einigen Diskussionsrunden. Sehr hilfreich fand ich das Raster, das wir an alle Studien angelegt haben, um deren Untersuchungsdesigns zu vergleichen:

  • Paradigm / Theoretical Framework
  • Research Problem
  • Strategy (das sind so Label wie „Fallstudie“ oder „Design Based Research“)
  • Sampling
  • Data Collection
  • Data Analysis
  • Interpretation & Conclusion

Das Raster hat dabei geholfen, alle Schritte einer Untersuchungsplanung seperat voneinander zu analysieren. In der Tat ist es häufig so, dass die Autoren einer Studie dieser ein bestimmtes „Label“ geben (z.B. im simpelsten Fall qualitativ oder quantitativ), sich dieses dann aber nicht in allen Teilbereichen einer Studie niederschlägt.

Etwas mehr Zeit bzw. eine stärkere Integration in die didaktische Gstaltung hätte ich mir für die Arbeit am eigenen Forschungsprojekt gewünscht. Da unsere Gruppe mit über 20 Teilnehmern jedoch zu einer der größten bei dieser Summer School zählte, war dies organisatorisch nur schwer möglich. Nach einigem Ringen mit mir selbst (primär da Vortragssprache = Englisch) habe ich mich dann aber doch entschieden, mein Untersuchungsdesign zum Abschluss des Kurses vorzustellen. So habe ich mich dann trotz des vollen „Sozialprogramms“ (Stadtführung, Gartenfest, Empfang an der Uni, Postersession etc.) noch dazu gezwungen, neben dem regulären Kurs noch am Untersuchungsdesign für die Dissertation zu arbeiten.

Mein Fazit zu diesen zwei Wochen lautet somit: Ich habe viel dazu gelernt und bin mir überdies meines bereits vorhandenen Wissens besser bewusst geworden. Entscheidend ist für mich aber der erkennbare Fortschritt im eigenen Forschungsvorhaben. Das Untersuchungsdesign ist (fast) fertig und ich habe jetzt die passenden Argumente und das entsprechende Fachvokabular zur Hand, um meine Entscheidungen zu begründen. Soviel schon mal zur Info: Es ist ein Design (Based) Research Ansatz, der auf mehreren Leveln und zu verschiedenen Zwecken qualitative und quantitative Erhebungs- und Analysemethoden integriert und kombiniert. In den nächsten Wochen werde ich mein „Research Proposal“ ausformulieren. … und dann natürlich auch mehr darüber berichten!

Interessiert bin ich auch an euren Meinungen und Erfahrungen zum Thema Mixed Methods: Habt ihr selber schon mehrere Methoden in einem Forschungsvorhaben verwendet? Findet ihr, dass zur Gestaltung solcher Untersuchungsdesigns ein spezifisches Vokabular und eine besondere Herangehensweise notwendig ist? (Im Kurs wies die Dozentin z.B. immer darauf hin, dass Kreativität wichtig ist, aber es muss „informed creativity“ sein, sonst resultiert „Mickey Mouse Research“.) Sollte man überhaupt Methoden (unterschiedlicher Paradigmen) kombinieren? Oder ist das selbstverständlich und „Mixed Methods“ nur ein Modewort dafür? Ich bin gespannt auf eure Posts!

5 Gedanken zu „Zurück aus Ljubljana: Bericht von der ECPR Summer School in Methods & Techniques

  1. Hallo Silvia,

    sehr schön, nun habe ich eine Übersicht über das, was du in Ljubljana (man ein schweres Wort) erlebt hast.

    Dein obiges Raster inspiriert dazu, so etwas wie einen wissenschaftlichen Fingerprint zu entwerfen, d.h. man sollte dieses Raster mit persönlichen Werten belegen können und es dann z.B. bei Tagungen etc. als erste Folie (Fingerprint) zeigen. Vielleicht könnte man so viele (unnötige) Missverständnisse ausräumen.

    Frank

  2. Hallo Frank,

    dein Vorschlag hört sich spannend an. Ich persönlich fände es sehr „zuhörerfreundlich“ die wichtigsten Eckdaten über ein Forschungsprojekt so kompakt präsentiert zu bekommen. Das wäre eine sehr gute Grundlage für spätere Diskussionen. So ein Raster bringt allerdings auch Tücken mit sich (primär für den Verfasser). Wenn man als Vortragender so ein Raster ausfüllt, so muss man sich schon sehr genau auf einige wenige Begrifflichkeiten festlegen und sich selber auch genau einordnen können. Das ist gar nicht so leicht – ich hab das in Ljubljana für mein Handout zum Vortrag so gestaltet (ich schicke es dir mal per Mail) und ziemlich lang dafür gebraucht. Vielleicht machen wir dennoch mal eine Forschungsnotiz dazu? Passt ja auch ein bisschen in die „Musterforschung“: quasi „Rasterforschung“ :)

  3. Hallo Silvia,
    dein Raster gefällt mir sehr gut. Man bekommt mit den Gliederungspunkten ein gutes Gefühl für die methodische Einordnung, was du also wie tun willst.

    Tücken:
    Sicherlich ist es schwer, seine methodischen ENTSCHEIDUNGEN auf den Begriff zu bringen. Manchmal ist die Entscheidung noch gar nicht gefällt oder man zweifelt daran, ob das was man vorhat auch wirklich durch den Begriff x abgebildet wird. Ich glaube aber, dass dieser Druck eine gute Übung ist.
    Eng zusammen mit den Schwierigkeiten zur Begrifflichkeit hängt das Problem, dass sich wissenschaftliche Positionen nicht so klar verorten lassen wie Städte auf einer Landkarte. Man bräuchte ein Ordnungssystem (+ Begriffsinventar), dass von allen (oder zumindest denjenigen der Community) akzeptiert wird.

    Fingerprint-Praxis
    Im Rahmen von Präsentationen (Konferenzen) könnte ich mir eine light-version deines Rasters vorstellen. Metaphorisch schwebt mir wie beschrieben ein Fingerabdruck vor http://education.vetmed.vt.edu/Curriculum/VM8054/Labs/Lab14/IMAGES/FINGERPRINT.jpg. Da können wir gerne mal experimentieren, gern auch als FN.

    Viele Grüße Frank

    • Hallo Frank,

      da hast du die wesentliche Tücke ganz genau getroffen: Bevor man die relevanten Begrifflichkeiten zur Einordnung des eigenen Vorgehens gefunden hat, muss man sich zunächst einmal wissenschaftlich verorten KÖNNEN. Da hab ich gestern auch mit Gabi drüber gesprochen: Durch die oft sehr einseitige Methodenausbildung und fehlendes Hintergrundwissen über erkenntnistheoretische Grundlagen fehlt es (nicht nur) Novizen häufig an der Kompetenz, sich da „multiperspektivisch“ einzuordnen. Das haben wir auch bei der Analyse diverser Studien in Ljubljana gesehen: Da bekommt eine Studie das Label „qualitativ“, auf vielen Ebenen des Rasters schlägt sich aber ein quantitatives Verständnis nieder. Da sind wir also bei deinen Stichwörtern „Ordnungssystem“ und „Begriffsinventar“. Da gibt es meiner Ansicht nach bis dato noch großes Entwicklungspotential.

      Ein wenig Probleme hab ich noch mit der Methapher des Fingerabdrucks. Für mich ist ein Fingerabdruck etwas sehr personales und passt vielleicht eher besser für die Beschreibung konstanter Merkmale meiner eigenen Person (z.B. die individuelle Forschungsauffassung). Für das Educamp in Hamburg hatten wir in einer Session mal die Landkarte als Metapher zur Einordnung herangezogen. Mit dem Raster hat sich diese Option für mich aber auch als nicht adäquat erwiesen, da man sich ja für die einzelnen Bereiche des Rasters durchaus unterschiedlich verorten kann (eben: mixed methods). Vielleicht kannst du mich ja doch noch vom Fingerabdruck überzeugen! :)

      Viele Grüße
      Silvia

  4. Pingback: Wer bin ich – und wenn ja wie viele? | Musterblog

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