Reflexionen zur GMW und ein Blended Conferencing Vorschlag

Zack! Schon ist sie vorbei, die GMW. Okay, eigentlich ist die – ausformuliert –  Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft schon letzte Woche Mittwoch zu Ende gegangen, doch krankheitsbedingt komme ich erst jetzt dazu, meine Reflexionen über die drei Tage (13. bis 15.09.) in Zürich „zu Papier“ zu bringen. Das Auskurieren auf der Couch hatte jedoch auch seinen Vorteil: Ich konnte mir neben einer Bewertung der vergangenen Ereignisse auch gleich ein paar konzeptionelle Gedanken dazu machen, wie man – dem Tenor der Podiums- und Publikumsdiskussion entsprechend – zur Verbesserung des Tagungskonzepts beitragen könnte.

Zunächst möchte ich jedoch damit beginnen, was mir von der Veranstaltung selber in Erinnerung geblieben ist (weitere Rückblicke finden sich u.a. bei Gabi, Alex, Frank und Mandy):

  • Der erste Tag – die Pre-Conference – fand unter dem Motto „EduCamp meets GMW“ in Form einer Unconference statt. Im Vergleich zu meinem ersten EduCamp vergangenen Februar in Hamburg war dieser Tag zwar konzeptionell gleich aufgebaut, hinterließ bei mir aber dennoch einen ganz anderen Eindruck. Zum einen mag das am etwas anderen Publikum gelegen haben: Meinem Empfinden nach waren weniger „typische EduCamper“ und Freigeister auf dem GMW-EduCamp zu finden als in Hamburg. Zum anderen verteilten sich die 50 bis 80 Anwesenden recht großflächig im Veranstaltungsgebäude; manche Sessions mussten mangels Interesse kurzfristig abgesagt werden. Insgesamt wäre also etwas mehr Zulauf – auch für die Hauptkonferenz der GMW – wünschenswert gewesen. Meine Vermutung ist, dass Zürich mit seinen recht gesalzenen Preisen als Veranstaltungsort nicht unbedingt für die breite Masse attraktiv ist (und nicht immer übernimmt die Universität die Kosten der Reise; für EduCamper gilt dies natürlich nochmal ganz besonders). Dennoch möchte ich betonen, dass ich es für eine gute Idee halte, offene und dialogorientierte Formate in die Konferenz einzubinden – und da ist das EduCamp ein besonders passendes Beispiel für.
  • Auch auf der Hauptkonferenz wurden in Form des Learning Cafés und der Interaktiven Postersession dialogorientierte Formate als reguläre Sessions ins Konzept integriert. Ich habe beide Sessions besucht und bin grundsätzlich überzeugt davon, dass diese den „Tagungsalltag“ bereichern können. Gezeigt hat sich allerdings auch, dass nicht alle Einreichungen für diese Formate geeignet sind. Ein Beitrag, der alleine auf eine Ergebnisdarstellung ausgerichtet ist, sollte vermutlich besser als klassisches Referat präsentiert werden. Welche Kriterien Beiträge erfüllen müssen, um sinnvoll in einem interaktiven Format platziert werden zu können, kann ich jetzt nicht aus dem Ärmel schütteln – das ist sicherlich eine Diskussionsaufgabe für die ganze Community. Als Mindestanforderungen würde ich allerdings definieren, dass der/die Einreichende am Dialog interessiert ist, um z.B. a) ein Untersuchungsdesign oder b) ein konkretes Tool weiterzuentwickeln oder um c) eine These oder d) die Ergebnisse einer Untersuchung kritisch zu reflektieren und zu diskutieren.
  • Neben diesen interaktiven Formaten habe ich auch die klassischen Referatsvorträge und Keynotes besucht (hier die Programmübersicht). Teilweise gaben mir diese spannende Anstöße für die eigene Arbeit, manchmal kam ich mir aber auch vor wie im falschen Film. Eine Tagung, die sich ausschließlich dieser Formate bedient, hätte wohl – außer den anregenden Gesprächen in den Pausen – nur einen geringen Mehrwert gegenüber der Lektüre des Tagungsbands für mich.

Insgesamt hat mir die Tagung aber doch gut gefallen. Vielen aufrichtigen Dank also an alle, die zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben! Wie am Anfang des Beitrags angekündigt, möchte ich neben einem Rückblick aber auch ein wenig in die Zukunft schauen. Bei der abschließenden Podiumsdiskussion (bei der das Publikum auch gut eingebunden wurde) kamen nämlich einige Verbesserungsvorschläge zur Sprache, die zwar unterschiedliche Punkte berührten, meiner Ansicht nach aber ganz gut aufeinander beziehbar sind und in ein stimmiges Gesamtkonzept integriert werden können. Besonders hervorgehoben wurden folgende Aspekte:

  • Die Tagung sollte noch größer in Richtung Dialog entwickelt werden. Dafür ist es z.B. notwendig, dass die Teilnehmenden den Tagungsband nicht erst zu Beginn der Tagung erhalten, sondern dass die Beiträge bereits zuvor digital verfügbar gemacht werden.
  • Einzelne Rufe wurden laut nach einer stärkeren Integration der Nachwuchsförderung, wobei nicht abschließend geklärt werden konnte, wer genau zur Gruppe „Nachwuchs“ zählt und durch welche Angebote dieser gefördert werden kann. Das Doktorierenden-Forum (umgesetzt als eine der Sessions; ich hab es leider nicht besucht) wurde als Schritt in die richtige Richtung bewertet.
  • Außerdem wurde zur Integration des EduCamps in die GMW ein positives Fazit gezogen. Als Ziel für die zukünftige Umsetzung wurde formuliert, noch mehr Öffnung gegenüber dem „normalen EduCamp-Publikum“ zu erreichen und gleichzeitig auch noch mehr der „traditionellen Tagungsteilnehmer“ für ein Mitwirken zu gewinnen. Als Vorschlag wurde hier bereits genannt, das EduCamp eher an Tag zwei oder sogar an zwei halben Tagen zu integrieren, damit es als stärker zur Tagung zugehörig verstanden wird.

Tja, was wäre nun die Idee, dies alles zu integrieren? Zunächst einmal fände ich es wirklich gut, wenn die Beiträge einige Zeit vor der Tagung den Teilnehmern online zur Verfügung stehen würden. Hier ergibt sich nicht nur die Chance, sich bereits im Vorfeld mit den Texten vertraut zu machen, sondern auch bereits Diskussions- und nachfragen zu sammeln, um dann die bei der Tagung vorhandene Zeit effektiver zu nutzen. Zudem könnten die Tagungsteilnehmer an dieser Stelle bereits „Einspruch erheben“, wenn ein Beitrag Ihrer Ansicht nach nicht in eine bestimmte Form von Session (wie oben erwähnt z.B. Learning Café, Interaktive Postersession oder klassischer Vortrag) passt. Davon würden sowohl die Beitragseinreichenden als auch die Rezipienten bzw. hoffentlich aktiv Mitdiskutierenden profitieren. Ich würde dies in Analogie zum Begriff Blended Learning (lustigerweise ging’s bei Sandras Blogpost zur GMW schon in eine ähnliche Richtung: Tagungsdidaktik) als Blended Conferencing bezeichnen.

Da stellt sich nun die Frage, wer dies betreut und organisiert. Hier wäre der Aspekt der Nachwuchsförderung gut zu integrieren. Junge Nachwuchswissenschaftler könnten die Aufgabe erhalten, die Online-Kommunikation zu betreuen, die Anmerkungen aus dieser ersten Phase in Kooperation mit den Vortragenden in die Präsenztagung „weiterzutragen“ und den Verlauf und/oder die Ergebnisse für die anderen Tagungsteilnehmer (wiederum online) zu dokumentieren. Quasi als „Nebenbeiprodukt“ dieser Aufgaben bietet sich den Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit inhaltsorientiert in Kontakt mit „den Etablierten“ (so der Begriff auf der Podiumsdiskussion) zu treten und so ein Stück weiter in die Community hineinzuwachsen.

Aus der Kombination der beiden Elemente Blended Conferencing und Nachwuchsförderung könnte sich außerdem ein Mehrwert für ein in die Konferenz integriertes EduCamp ergeben. Meine Annahme ist, dass sich aus einer stärker dialogorientierten Konferenz eher der Bedarf nach weiterführenden Gesprächen ergibt, die durchaus in Form von EduCamp Sessions stattfinden könnten. Deswegen wäre mein Vorschlag, das EduCamp an Tag 3 der Konferenz anzusetzen – allerdings nicht als „After-Conference“, sondern vollwertig integriert in die Konferenz. Die abschließende Podiumsdiskussion sollte dann auch erst am Ende von Tag 3 stattfinden. Gegenüber einer Platzierung des EduCamps an Tag 2 oder über mehrere Tage verteilt ergibt sich der Vorteil, dass dieser Teil der Veranstaltung ohne allzu große organisatorische Schwierigkeiten kostenfrei (oder kostenarm) zugänglich gemacht werden kann. Wichtig fände ich es, dass ein ausgewogenes Verhältnis herrscht zwischen Session-Angeboten, die von „reinen EduCampern“ gemacht werden und solchen, die sich im Laufe der Tagung ergeben. Noch besser wäre es, Sessions unter Beteiligung beider „Parteien“ zu organisieren, sofern die Themen verwandt sind.

Meine Überlegungen habe ich mal versucht in einer pastelligen Grafik zu visualisieren (bitte draufklicken für eine größere Ansicht):

Tagungskonzept

Über eure Kommentare und Vorschläge dazu freue ich mich!

P.S.: Ach ja, übrigens ist der Tagungsband mittlerweile auch schon online verfügbar. Darin ist auch der Beitrag zu finden, den ich mit Gabi und Christian Spannagel für das Learning Café eingereicht hatte:

Reinmann, G., Sippel, S. & Spannagel, C. (2010). Peer Review für Forschen und Lernen. Funktionen, Formen, Entwicklungschancen und die Rolle der digitalen Medien. In S. Mandel, M. Rutishauser & E. Seiler Schiedt (Hrsg.), Digitale Medien für Lehre und Forschung (S. 218-229). Münster: Waxmann.

Berliner Methodentreffen 2010

Silberlaube der FU BerlinAn der Freien Universität Berlin fand am vergangenen Freitag und Samstag (16./17. Juli 2010) das 6. Berliner Methodentreffen statt. Gemeinsam mit meinem Kollegen Alexander Florian war ich dorthin eingeladen, um…

…zum einen unseren 2009 an der Universität Augsburg entwickelten (und über die vhb zugänglichen) E-Learning-Kurs zur Einführung in die qualitative Sozialforschung auf der Fachmesse vorzustellen.

… zum anderen am Symposium zum Thema „Lehr-/Lernbarkeit qualitativer Forschung“ teilzunehmen. Außer mir waren noch Uwe Flick, Christoph Maeder, Arne Weidemann sowie die beiden Moderatoren Günther Mey und Katja Mruck dabei.

Das Symposium fand am Samstag Morgen um halb 10 statt und trotz der frühen Stunde und der erschwerten „Anreisebedingungen“ (Gewitterfront über Berlin) war es recht gut besucht. Ich hatte zwei Statements für die Diskussion vorbereitet, wobei ich aufgrund der fortschreitenden Zeit nur das erste Statement ausführlich dargelegt habe – undzwar zur Frage, welche Lehre in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen möglich ist. Hier habe ich auf die Chancen und Grenzen der Integration virtueller Lehre (am Beispiel des oben schon erwähnten vhb-Kurses) hingewiesen. Zumindest ansatzweise konnte ich noch darauf eingehen, dass die meiner Ansicht nach größte Herausforderung in der qualitativen Methodenausbildung darin liegt, dass die rein der Methodenausbildung zugesprochene Zeit in Form von ECTS häufig sehr gering ist und dass aus diesem Grund weitere Anlässe  zum „Forschen lernen“ (eben im Sinne eines forschenden Lernens) in Nicht-Methoden-Module integriert werden müssen. Hierbei ist es natürlich wichtig, dass diese Anlässe seitens der Lernenden miteinander verknüpft werden. Inwiefern sich dazu E-Portfolios eignen könnten, hat Gabi Reinmann in einem Artikel anlässlich der Campus Innovation 2009 diskutiert, zu dem ich auch einen kleinen Beitrag geleistet habe.

Betont habe ich bei all meinen Ausführungen über die Integration digitaler Medien in die Methodenausbildung, dass diese natürlich nur ein Werkzeug sind,

  • um bestimmten Rahmenbedingungen gerecht zu werden (z.B. bayernweit einen Einführungskurs in qualitative Forschung anzubieten und damit auch bestimmte Leerstellen an einzelnen Universitäten zu füllen),
  • um bestimmte Lernprozesse zu unterstützen (z.B. im Falle der E-Portfolios als Mittel der Reflexion),
  • und um bestimmte Arten von Lehrzielen zu erreichen (dass man qualitatives Forschen am besten durch qualitatives Forschen lernt und dass die Bedingungen im E-Learning dafür nicht ideal sind, sollte klar sein).

Einige Mit-Diskutanten sowie viele Personen aus dem Plenum konnten meine Ansichten dazu teilen. Katja Mruck hat überdies einen weiteren interessanten Vorschlag zur Nutzung digitaler Medien gemacht: Sie schlägt vor, ein gemeinsames Wiki zu gestalten, um die Aktivitäten der weit verstreuten Community besser bündeln zu können. Hier bietet sich ebenfalls eine gute Plattform, um Erfahrungen zu bestimmten Methoden zu teilen, über den Aufbau und Ablauf der Methoden zu diskutieren und vielleicht auch gemeinsam über eine Fachdidaktik zur Methodenausbildung nachzudenken. Letzteres war ein sehr spannender Vorschlag aus dem Plenum.

Unser Stand auf der Fachmesse war nach dem Symposium sehr gut besucht. Wir hatten viele interessante Gespräche mit Lehrenden und Lernenden und waren ganz überrascht, wie oft Personen mit der Frage „Wie kann ich mich anmelden?“ auf uns zu kamen. Alles in allem lief unser aktiver Part am Methodentreffen also sehr gut und wir wurden noch einmal in unserer Annahme bestätigt, dass ein grundsätzlicher Bedarf für ein Lehrangebot wie das von uns konzipierte besteht (auch, wenn die Anmeldezahlen für den vhb-Kurs mit 20-30 Personen bayernweit nicht so hoch wie erwartet ausfallen).

Zusätzlich zur Fachmesse und dem Symposium habe ich noch (als Teilnehmer) eine Forschungswerkstatt zur qualitativen Inhaltsanalyse und einen Workshop zur Triangulation besucht. Beide Veranstaltungen waren interessant und boten insbesondere durch die besprochenen Praxisbeispiele Chancen zum Wissenszuwachs.

Ich schaue also positiv auf das Berliner Methodentreffen 2010 zurück. Vielleicht bin ich auch im nächsten Jahr wieder dabei :)